Vortrag zum Thema
Lenkung durch Attraktivität
Im Rahmen einer Projektsitzung mit dem Umweltbundesamt wurden unterschiedliche Erfolgsprojekte im Bereich Mountainbike vorgestellt. Wir haben mit unserem Kurzvortrag “Lenkung durch Attraktivität” vor allem auf die Thematik “Infrastruktur” Wert gelegt und dies mit Zahlen untermauert.
Gemeinsam mit einem Partner befassen wir uns seit geraumer Zeit mit Modellen, welche uns ermöglichen den Bedarf von Angeboten in Bezug auf die Zielgruppe zu berechnen.
Diese Berechnungen basieren auf einem komplexen Modell, welches als Ausgangsbasis den Erreichbarkeitsraum einer Region verwendet.
Lenkung durch attraktive Angebote
Ein Perspektivenwechsel. Wo benötigen wir wieviel Angebot für welche Zielgruppe?
995.209 das ist das Minimum an EMTBs im österreichischen Markt in 10 Jahren.
Was impliziert, dass es sich hier nicht um einen momentanen Trend handelt, sondern um einen Wechsel im Verhalten von breiten Bevölkerungsschichten.
Der Großteil der KäuferInnen sind Neu- bzw. Wiedereinsteiger.
Sind Fakten ein Problem?
Attraktivität benötigt neben dem emotionalem Erlebnis auch ein ausreichendes Angebot. D.h. die Qualität braucht auch die entsprechende Quantität um weiterhin als attraktiv zu gelten.
Mit der Elektrifizierung des Rads hat das Mountainbike den Sprung in die Mehrheitsbevölkerung gefunden. Das prognostizierte Wachstum wird 2021 und 2022 nur mit Problemen in der Lieferkette gedämpft.
In diesem Vortrag reduzieren wir uns auf 3 Betrachtungsfelder und zeigen Lösungen auf.
- Lenkung durch Attraktivität?
- Wo lebt ein Großteil der Naturnutzer?
- Wohin entwickelt sich der Markt?
Lenkung durch Attraktivität?
Wieviel attraktive Angebote gibt es, bzw. benötigen wir und ab wann verliert ein Produkt seine Attraktivität?
Overtourism war das Synonym für Attraktivitätsverlust. Die Übernutzung von attraktiven Orten wie z.B. Hallstatt führen zu einer Ablehnungshaltung bei nahezu allen Menschen.
In unserer Betrachtungsweise liegt es eher an der ungelenkten Nutzung des Naturraums, vor allem in den Naherholungsgebieten des urbanen Raumes.
Auch Bayern und Südtirol haben, obwohl eine liberalere Gesetzgebung was die Nutzung des Naturraumes betrifft, mehr und mehr Lenkungsprobleme.
Unsere Gesellschaft ist im Wandel. Die Natur wird mehr und mehr als Ausgleich benötigt, dazu gesellt sich der Mobilitäts- und Klimawandel.
Ein nicht unwesentlicher Fauxpas, das vorhandene Angebot wird zumeist falsch kommuniziert und dadurch auch falsch interpretiert.
Das Brutto/Netto Problem. Am Beispiel Salzkammergut klar ersichtlich. Kommuniziert werden 1450km Strecke brutto, entspricht netto rund 250km Forstwege sowie ca. 2km Single-Trails. Die Differenz besteht aus Mehrfachbelegungen, Nutzung von Rad- und Güterwegen sowie Straßen. Die daraus entstehende Interpretation, das Angebot ist völlig ausreichend für die Zielgruppe.
Was wäre ein Lösungsansatz?
Wo leben Naturnutzer?
Der Großteil lebt im urbanen Raum sowie den Ballungsgebieten und nicht in hochalpinen Tälern.
Die Nutzung von Mountainbike Angeboten im alpinen Raum ist vor allem touristisch geprägt. Daraus entstehen Chancen. Neben einer hohen Wertschöpfung, besteht die Chance zur Ganzjahresdestination mit Vorteilen hinsichtlich Abwanderungsstopp, Wandlung von Saisonarbeitsplätzen und Wiederansiedelung von jungen Menschen.
In den Siedlungsgebieten außerhalb der touristischen Zentren ist Erholung gleichzusetzen mit Infrastruktur.
Die Elektrifizierung des Rades ist ein Game-Changer. Breite Bevölkerungsschichten kommen vor Ort in Bewegung und treffen insbesondere im Segment Mountainbike auf eine kaum vorhandene legale Infrastruktur und gleiten somit ab in die Illegalität. Ohne dies zu wissen bzw. zu empfinden.
Die Folge sind ein massiver Anstieg an Konflikten, negativer Publicity, sowie ein Zuwachs an Verbotskultur in Form von Schildern, Barrikaden, Klagen, etc.
Was wäre ein Lösungsansatz?
Um der Raumplanung die notwendigen Vorgaben zu ermöglichen, haben wir ein Analysetool entwickelt, welches Daten in Form von 3 unterschiedlichen Sichtweisen abbildet.
Minimum, Real und Maximum.
Minimum bedeutet in unserer Betrachtungsweise die minimalste Nutzung der Freizeitaktivität MTB/EMTB.
Die Steuerung erfolgt über die Erfassung von Variablen basierend auf einer Erreichbarkeitskarte, welche die Erreichbarkeit anhand unterschiedlicher Isochronen (MTB, KFZ) ermittelt.
Im Augenblick errechnen wir je Zielgruppe, neben vielen anderen Daten, die Nutzungsfrequenz, das notwendige Streckenangebot in Kilometern um attraktiv zu gelten, sowie die potentiellen bzw. absoluten Wirtschaftsdaten wie Wertschöpfung, Steuereinnahmen, Vollzeitäquivalent u.v.m.
Das aktuelle Ziel ist herauszufinden, wieviel Infrastruktur wir in der jeweiligen geografischen Region benötigen.
Zusätzlich zeigen wir das wirtschaftliche Potential der Einheimischen und Tages-Einheimischen um hier auch verkehrspolitisch eine Entscheidungsgrundlage zu bekommen.
Die gezeigten Beispiele – Sichtweise MINIMUM + EINHEIMISCHE – basieren auf einer Erreichbarkeit von 25km im Umkreis, entspricht 90 Minuten mit dem EMTB, 150 Saisontagen und 18,00 EUR Wertschöpfung pro Nutzer.
Die absolute Anzahl der Besitzer ist ein Erfahrungswert bzw. beruht auf Verkaufszahlen der VSSÖ und ist mit 6,9% definiert. In Deutschland sind lt. Statista 14,5% im Besitz eines MTB.
Diese Betrachtungsweise beinhaltet weder das Wochenende noch Wetterlagen und auch nicht die Sogwirkung auf Tages- und Nächtigungsgäste.
Das Marktpotential in 10 Jahren aus der Sichtweise MINIMUM entspricht in etwa dem derzeitigen MAXIMUM.
Für Salzburg 25km (EINHEIMISCHE) wären dies eine Wertschöpfung von rund 47 Mio auf Basis 18 EUR.
Erreichbarkeitsraum | Salzburg | Linz | Graz |
---|---|---|---|
Besitzer | 28.551 | 35.230 | 32.425 |
Aktiv/Saisontag | 1.203 | 1.485 | 1.366 |
Wertschöpfung in Mio EUR | 3,07 | 3,79 | 3,49 |
km-Leistung/Tag | 24.064 | 29.694 | 27.330 |
Attraktives Angebot in km bei 200m Dichte (blau) | 240 | 300 | 270 |
Attraktives Angebot in km bei 200m Dichte (schwarz) | 24 | 30 | 27 |
Begriffsklärung
Im Augenblick segmentieren wir in die Zielgruppen:
- “Routen & Soft Adventure” = blaue Pisten
- “Technik-SINGLE Trail” = schwarze Pisten
- “Familien (Kinder 4-17)”
- “Nicht definiert” = Differenz zu 100%
Die Nutzungsfrequenz ist die Anzahl an Nutzern je Saisontag im Erreichbarkeitsraum.
Diese Zahl gibt es als Summe über alle Zielgruppen bzw. segmentiert je Zielgruppe.
Die Wertschöpfung ist abhängig vom Einzugsgebiet bzw. Erreichbarkeitsraum. Die Grundlage sind Unterkunft, Verpflegung, Transport und andere Services (Verleih, …)
Für EINHEIMISCHE und TAGES-EINHEIMISCHE verwenden wir 15,00 für Verpflegung und 3,00 für andere Services. Beim KFZ Tagesgast kommen noch 8,00 dazu für An- und Abreise.
Der Unterschied zwischen Wertschöpfungspotential und tatsächlicher Wertschöpfung ergibt sich durch den Nutzungsgrad der Zielgruppen.
Was wäre ein Lösungsansatz?
Um etwas mehr Gefühl für die täglichen Nutzungszahlen zu bekommen, haben wir Salzburg als Beispiel gewählt.
Besucher pro Saisontag
In der linken Spalte die Daten auf Basis EINHEIMISCHE und MINIMUM in Salzburg.
20 Ausübungstage mit pro Tag 20km gefahrener Strecke pro Nutzer ergeben, umgelegt auf die Saison von 150 Tagen, eine Nutzung von 24.064 gefahrene km pro Saisontag. Bei einer Dichte von 200m würde dies bedeuten, dass wir im Erreichbarkeitsraum von 25km 240km niederschwelliges Angebot benötigen.
Der Anteil an technischen Trails ist in der Regel mit 10% dieser Strecke anzusetzen.
Die rechte Spalte zeigt die Anzahl von Besuchern je Saisontag in den 3 Erreichbarkeitsräumen. Der Raum EINHEIMISCHE (25km 90min EMTB) erwirkt 1203 Besucher pro Saisontag. Der Raum TAGES-EINHEIMISCHE (50km 180min EMTB) mit 2.087 Besuchern ist nahezu eine Verdopplung der Ist-Situation und entspricht in etwa der Tagesleistung eines Anfängers mit dem EMTB. Der Raum TAGESGÄSTE-KFZ (1h Auto) entspricht in etwa 4.053 Besucher je Saisontag.
Das Wachstum innerhalb von 10 Jahren wird zumindest das 4- bzw. 5-fache der Ist-Situation ausmachen.
Die rechts oben angeführten 33% sind der aktuelle Wertschöpfungsanteil am Wertschöpfungspotential aus der Sichtweise MINIMUM.Was kann ich nun aus diesen Zahlen ableiten?
Prognosen
Wohin geht der Markt?
Bis 2031 wird sich der Markt Vervier- bzw. Verfünffachen. Durch Corona wird das Tempo beschleunigt.
Die Förderung des Radverkehrs liegt nicht nur in klimapolitischem, umwelt- und gesundheitspolitischem und auch nicht nur in verkehrspolitischem Interesse, sondern Fahrräder und E-Bikes haben eine erhebliche wirtschaftspolitische Bedeutung!
Eine aktuelle wissenschaftliche Studie vom Dezember 2020 aus Deutschland zeigt auf 37,7 Mrd. steuerbare Umsätze der Fahrradwirtschaft in 2018 sowie 281.000 Beschäftigte.
Dies setzt sich zusammen aus:
Kernmarkt (Herstellung 6,9 Mrd + Dienstleistung 560 Mio. + Handel 16,7 Mrd)
Fahrradtourismus (11,6 Mrd)
Sonstiges (Infrastruktur, Verwaltung, … 1,9 Mrd)
Basierend auf den Zahlen der VSSÖ haben wir eine Berechnung angestellt und sind für 2031 auf die Menge von 995.209 EMTB Besitzern gekommen. Dieser Wert liegt deutlich unter den Prognosen der Motorenhersteller.
Das aktuelle MAXIMUM aus 2021 entspricht in etwa der MINIMUM Prognose für 2031. Für Österreich bedeutet dies ein Wertschöpfungspotential von 591 Mio. Euro (Basis 18,00 EUR). Gleichzusetzen mit 41.310 Nutzern pro Saisontag und 2031 Vollzeitäquivalenten in der Freizeitwirtschaft.
Wie bereits zu Beginn angemerkt, handelt es sich hier um das eingeschränkte Potential hinsichtlich der Sichtweise EINHEIMISCHE im jeweiligen Erreichbarkeitsraum.
Der Mehrnutzungseffekt durch den Tourismus, durch neue Berufsfelder, sowie durch strategisch gebaute Sportstätten ist hier noch nicht aufgezeigt und in der Regel ein Mehrfacher.
Ein interessanter Gedanke zum Abschluss:
Im Potentialvergleich Wertschöpfung Radverkehr zu Forstwirtschaft und unter Einbeziehung der Wachstumsraten, empfehlen wir hier den jeweiligen Verantwortungsträgern darüber nachzudenken, inwieweit das Portfolio zu erweitern wäre, um ähnlich wie in anderen Ländern Europas ein Teil dieser Erfolgsgeschichte zu werden.
Dies beinhaltet noch nicht die Tatsache, 1 EUR Investment in Bewegung spart 5 EUR im Gesundheitssystem.
Solltest auch Du Interesse haben, für Deine Region eine Entscheidungsgrundlage zu erhalten, freuen wir uns auf Deine Zuschrift. Am besten per Mail mit Deinen Zielen an [email protected]