Erschienen im Heft 1.2023 – Magazin des Österreichischen Alpenvereins

Die Räder rattern im Kopf

Der diesjährige Mountainbike-Kongress in Saalbach stand ganz unter dem Zeichen der Nachhaltigkeit und der Frage, ob die Ski-Nation Österreich auch zur Bike-Nation werden kann. Ich durfte als MTB-Koordinator an der Podiumsdiskussion „Bike-Nation Österreich –
eh klar!“ teilnehmen. Hier die wichtigsten Ergebnisse.

Die Schaffung von Infrastruktur für eine breite Zielgruppe, von Kindern bis zu Senioren, ist wichtiger denn je. Vor allem, da sind sich die Experten einig, darf Mountainbiken nicht nur touristisch gedacht werden. In erster Linie ist ein Angebot für die einheimische Bevölkerung wichtig: Mountainbiken, übergreifend in die Alltagsnutzung, ist Motor der Gesundheit und kann, wie der Österreichische Alpenverein auch im Positionspapier Mountainbike (s. Bergauf #4.2022) festhält, zur Mobilitätswende beitragen.

Mountainbike Kongress Österreich

Eine gemeinsame Strategie

Entscheidungsprozesse werden leider immer länger und schwieriger – oft fehlt es im Bereich Mountainbike auch an Mut, sich für etwas einzusetzen und klar Position zu beziehen. Darüber hinaus gilt es in allen Bereichen, etwaige Hürden zu überwinden, bevor man etwas entwickeln oder auch grüner machen kann. Auch wenn es bereits viele umgesetzte Projekte zum Thema Mountainbike gibt, so ist fast jedes dieser Projekte für die beteiligten Stakeholder Pionierarbeit.

Eine bundesweite, gemeinsame Strategie mit Rückendeckung aus den Ministerien ist aus Sicht der Experten unumgänglich. Auch bleibt die Frage offen, welches Ministerium denn dafür zuständig ist. Mountainbiken ist mehr als nur Sport, es trägt aufgrund der vielen Ausübenden zur individuellen und gesellschaftlichen Gesundheit bei, ist Wirtschaftsmotor, ein Thema des Verkehrs und vielerorts touristisch. Es wäre also wünschenswert, den Mountainbikesport ressortübergreifend zu denken.

Ein ganz besonderes Augenmerk, so sind sich alle einig, muss auf niederschwelliger Infrastruktur liegen. Unsere Kinder und Jugendlichen müssen sich bewegen – das Rad ist hier nicht nur Sportgerät, sondern auch Fortbewegungsmittel und schafft Unabhängigkeit. In den meisten Orten Österreichs gibt es Fußballfelder, doch legal Mountainbiken ist für den Großteil der Bevölkerung nicht von zuhause aus möglich. Pumptracks, Skill-Areas und einfache Strecken in Talnähe bieten einen ungehinderten Einstieg in die Welt des Mountainbikens.
Das Umweltbundesamt hat mit erniMTB1 einen ersten Schritt zu einem österreichweiten Leitfaden mit Handlungsempfehlungen gesetzt und bietet Beratungen zur Schaffung von Infrastruktur an. Es kommt Bewegung ins Spiel – was jetzt noch fehlt, ist eine gemeinsame Kommunikation und die Einbindung aller Lebensraumpartner.

Wir können es schaffen, aus Betroffenen Beteiligte zu machen.

In den meisten Orten Österreichs gibt es Fußballfelder, doch legal Mountainbiken ist für den Großteil der Bevölkerung nicht von zuhause aus möglich.

Kommunikation ist das A und O

Zielgerichtete Kommunikation ist heute unumgänglich. Speziell zum Thema Nachhaltigkeit beim Mountainbiken gibt es hier viel Aufholbedarf. Christian Baumgartner, Professor für nachhaltigen Tourismus an der FH Graubünden, sagt,

es gebe zehn Prozent „Weltverbesserer“, die aus eigener Motivation handeln. Rund ein Drittel der Touristen im Alpenraum hat kein Interesse daran oder ignoriert jegliche Empfehlungen. Daraus resultieren in etwa 60 Prozent an Unentschlossenen, die ohne Führung und Kommunikation nicht wissen, wie sie etwas beitragen können oder wo ihr persönlicher Nutzen in der Partizipation liegt.

Hier ist viel Luft nach oben, die mit positivem Storytelling, aber auch klaren Fakten von Seiten der Entscheidungsträger gefüllt werden muss. Die Jungen, die sogenannte Generation Global, ist gut vernetzt und informiert und darüber hinaus äußerst empfänglich für das Thema Nachhaltigkeit. So wie der Alpenverein seinen Bildungsauftrag zu den Themen Natur- und Sozialverträglichkeit im Mountainbikesport kommuniziert, müssen die Konzepte einer gemeinsamen Strategie nicht nur Stakeholder, sondern auch jeden Mountainbiker und jede Mountainbikerin erreichen.

So wie der Alpenverein seinen Bildungsauftrag zu den Themen Natur- und Sozialverträglichkeit im Mountainbikesport kommuniziert, müssen die Konzepte einer gemeinsamen Strategie nicht nur Stakeholder, sondern auch jeden Mountainbiker und jede Mountainbikerin erreichen.

Bike-Nation Österreich

Wir haben in Österreich eines der besten Wegenetze Europas. Zur Bike-Nation ist es aus aktueller Sicht aber noch ein weiter Weg. Während der drei Tage am Kongress konnte man allerdings eines ganz klar merken: Die Zeit des Jammerns ist vorbei. Man ist sich des Problems, der Konflikte und des Mangels an ausreichender und vor allem zeitgemäßer Infrastruktur bewusst und möchte anpacken. Man sieht das restriktive Forstgesetz nun als Chance, ein gezieltes, qualitativ hochwertiges Mountainbike-Netz zu schaffen. Speziell der illegale Trailbau im Naherholungsbereich von Städten ist ein Problem. Aufgrund des Mangels an Trails nachvollziehbar, Konflikte können dadurch aber verstärkt entstehen und die Akzeptanz des Sports bleibt gering.
Ein Beispiel vom Verein MTB Linz zeigt, wie es geht: Ein illegaler Trail sorgte immer wieder für heiße Diskussionen. Eine legale Strecke unweit davon entfernt, gebaut mit viel Einsatz aus der Community, schuf nun rund um Linz eine zufriedenstellende Lenkung. Für den sehr großen Ballungsraum rund um die Landeshauptstadt ist dies zwar noch zu wenig, aber zumindest konnte der Konflikt lokal gelöst werden. Lenkung ist nicht mit Verboten, sondern nur mit attraktiven Angeboten möglich. Es soll allerdings zukünftig nicht am Einsatz lokaler Vereine hängen bleiben, Österreichs Mountainbike-Infrastruktur zu entwickeln.

Kein Fußballer oder Golfspieler, sagt der steirische Landesrat Wolfgang Moitzi, würde sich selbst seinen Platz schaufeln. Moitzi hat, gemeinsam mit dem Mountainbike-Koordinator der Steiermark, Markus Pekoll, im Murtal mitgewirkt, um die ersten legalen Trails und viele Kilometer Routen zu schaffen. „Es ist ein langer Weg, aber er ist es wert zu gehen“, sagt Pekoll.

Mountainbiken ist gelebte Realität und schon seit vielen Jahren im Alpenverein angekommen. Nun haben wir auf Basis unserer Umfrage aus dem Jahr 2020, dem neuen Positionspapier sowie unserem ständigen Einsatz in den Bereichen Sicherheit, Natur- und Sozialverträglichkeit auch die Aufgabe, gemeinsam an der Schaffung legaler Infrastruktur mitzuwirken. Die Position des Vereins zum Mountainbiken war am Kongress sehr gefragt. Für viele Beteiligte genießt der Österreichische Alpenverein einen hohen Vertrauensbonus, wenn es um das Thema Natur geht. Nun ist auch der Alpenverein beim Mountainbikesport angekommen.

Der Beitrag im Original

Interessanter Bericht. Den möchte ich mir abspeichern.

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