Mountainbike und Naturschutz: Konflikt oder Koexistenz?

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Mountainbike-Infrastruktur vs. Naturschutz

Mountainbiken erfreut sich seit Jahren wachsender Beliebtheit – längst ist es vom Nischensport zum Breitensport geworden. Allein in der Schweiz fahren rund 7,9 % der Bevölkerung Mountainbike (Wissen | trail.foundation). Gleichzeitig hinkt der Ausbau offizieller Bike-Infrastruktur hinterher, was in manchen Regionen zu unkontrolliertem Wildwuchs an Trails und damit zu sozialen und ökologischen Spannungen führt. Naturschutzverbände und Grundeigentümer befürchten Bodenerosion, Störungen der Tierwelt oder illegale Pfade, während Mountainbiker sichere und legale Strecken fordern. Diese Debatte – Mountainbike-Infrastruktur vs. Naturschutz – wird zum Teil emotional geführt. Umso wichtiger ist eine objektive, wissenschaftlich fundierte Analyse, die Fakten von Mythen trennt und Lösungswege aufzeigt.

In diesem Blogartikel beleuchten wir aktuelle Studien und Best Practices zu den Umweltauswirkungen des Mountainbikens. Wir untersuchen verbreitete Missverständnisse und stellen klar, welche Fakten die Forschung liefert. Im Zentrum steht die Erkenntnis, dass Besucherlenkung – also die aktive Steuerung, wann und wo gefahren wird – ein Schlüsselinstrument zur Konfliktlösung ist. Außerdem betrachten wir nachhaltige Trailbau-Techniken und Praxisbeispiele, die zeigen, wie Mountainbike-Strecken umweltverträglich angelegt werden können. Erfolgreiche internationale Modelle dienen als Vorbilder dafür, wie ein Gleichgewicht zwischen Bike-Infrastruktur und Naturschutz gelingen kann. Abschließend geben wir Handlungsempfehlungen für Gemeinden, Planer und Grundeigentümer im deutschsprachigen Raum (D-A-CH), um Mountainbiken und Naturschutz in Einklang zu bringen.

Mountainbiken und Naturschutz – Konfliktfeld mit Potenzial zur Koexistenz

Mountainbiking wird oft als Gegensatz zum Naturschutz dargestellt. Doch ein genauerer Blick zeigt: Bei entsprechender Planung können Bike-Infrastruktur und Naturschutz koexistieren. Wichtig ist, zwischen Wahrnehmung und wissenschaftlicher Faktenlage zu unterscheiden. Ein häufig gezeichnetes Bild ist der „rasende Mountainbiker“, der vermeintlich rücksichtslos durch den Wald fährt und dabei Flora und Fauna schädigt. Diese Wahrnehmung hat in Teilen Deutschlands und Österreichs zu pauschalen Verboten und Wegsperrungen geführt – etwa durch die 2-Meter-Regel in Deutschland oder durch das generelle Radfahrverbot im Wald gemäß österreichischem Forstgesetz. Letzteres erlaubt lediglich das Betreten des Waldes, nicht jedoch das Befahren. Diese Regelung stammt jedoch aus einer Zeit, in der Mountainbiken noch keine Rolle spielte und moderne Konzepte zur nachhaltigen Nutzung des Waldes nicht berücksichtigt wurden. Allerdings zeigen aktuelle Untersuchungen, dass Mountainbiker in der Realität keine größeren Umweltschäden verursachen als andere Outdoor-Sportler auf Wegen (Trail Science – IMBA Canada). Vielmehr sind Konflikte oft auf mangelnde offizielle Angebote und fehlende Lenkung zurückzuführen.

Bereits mehrmals wurde auf dem Mountainbike-Kongress in Saalbach betont, dass die Diskussion auf Faktenbasis geführt werden muss. Auch im D-A-CH-Raum formieren sich Initiativen wie das Mountainbike Tourismusforum Deutschland (Umweltauswirkungen MTB) oder das Austrian Mountainbike Institute (ambi), um Lösungen zu erarbeiten. IMBA (International Mountain Bicycling Association) – ob in den USA, Europa oder ihren nationalen Vertretungen – stellt wissenschaftliche Informationen bereit und arbeitet mit Entscheidungs­trägern zusammen, um nachhaltige Konzepte zu fördern (IMBA-Europe | Knowledge Hub).

Die zentrale Frage lautet: Wie finden wir eine Balance zwischen dem berechtigten Bedürfnis nach Trails und dem Schutz unserer Natur?

Im Folgenden betrachten wir dazu die wichtigsten Aspekte.

Key Takeaways – Konfliktfeld: Mountainbiken boomt im deutschsprachigen Raum, doch Infrastruktur und Regulierung halten nicht Schritt. Anstatt pauschaler Verbote ist ein faktenbasierter Dialog nötig. Studien und Verbände (IMBA, MTF, ambi) zeigen: Es gibt Wege, Sport und Naturschutz durch Planung und Kooperation in Einklang zu bringen.

Umweltverträglichkeit des Mountainbikens: Missverständnisse und Fakten

Auswirkungen auf Böden und Vegetation

Ein zentrales Anliegen der Naturschützer ist die Bodenerosion und Vegetationsschäden durch Mountainbikes. Oft wird angenommen, dass breitere Reifen und höhere Geschwindigkeiten den Boden stärker schädigen als Wanderer zu Fuß. Die Forschung widerspricht dieser Annahme. Mehrere Vergleichsstudien – vorwiegend aus den USA, Australien und jüngst auch Europa – kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass Mountainbiker auf bestehenden Wegen nicht mehr Boden verschleißen als Wanderer (Trail Science – IMBA Canada) ( Trail Use, Motivations, and Environmental Attitudes of 3780 European Mountain Bikers: What Is Sustainable? – PMC ). So fand z.B. eine oft zitierte Studie von Wilson & Seney (1994) praktisch keinen Unterschied im Bodenabtrag zwischen Wander- und Bike-Belastung: Die freigelegte Bodenfläche unterschied sich nur marginal (30 % bei Bikes vs. 23 % bei Wanderern) und der gemessene Verlust von Bodenmaterial lag nahezu gleichauf (58 Gramm bei Mountainbikes gegenüber 55 Gramm bei Wanderern) (Umweltauswirkungen MTB). Entscheidend ist vielmehr die Bauweise des Weges: Steile Pfade ohne Wasserableitung zeigen deutlich mehr Erosionsschäden, unabhängig davon, ob sie von Wanderern oder Bikern genutzt werden ( Trail Use, Motivations, and Environmental Attitudes of 3780 European Mountain Bikers: What Is Sustainable? – PMC ). Ist ein Trail dagegen klug trassiert (Quer zum Hang statt fall-line) und mit Entwässerungsmaßnahmen versehen, bleibt die Erosion gering. IMBA fasst es so zusammen: Nicht die Nutzerart bestimmt primär den Impact, sondern ob der Trail richtig angelegt und gewartet ist (Trail Science – IMBA Canada).

Natürlich ist jeder Weg ein Eingriff in die Natur. Schon die Anlage eines neuen Trails führt lokal zur Entfernung von Vegetation – in der Kernzone eines Pfades reduzieren sich Flora und Fauna anfänglich um ~80 %. Dieser Effekt gilt aber für jeden Weg (auch Wanderwege) gleichermaßen. Nach einiger Zeit stabilisiert sich das Mikroklima am Trail und die Ränder begrünen wieder teilweise. Auffällig: Manche Studien berichten sogar, dass an Trailrändern bei Wanderern die Vegetation schlechter regeneriert als bei Mountainbikern. Der wichtigste Punkt: Sind Trails einmal gebaut und verdichtet, stellt die verbleibende leichte Erosion kein unmittelbares Naturschutzproblem dar – wohl aber ein Wartungs- und ästhetisches Problem für die Wegbetreiber. Problematisch wird es vor allem, wenn Nutzer den offiziellen Weg verlassen: Abkürzungen in Serpentinen oder das Umfahren von Pfützen führen zu neuen Trampelpfaden, die deutlich schwerer zu regenerieren sind. Untersuchungen zeigen, dass bereits 50 Off-Trail-Begehungen ausreichen, um Waldboden so zu schädigen, dass fast zwei Jahre zur Erholung nötig sind – wenn überhaupt. Dieses Wildfahren gilt es zu vermeiden (dazu mehr im Abschnitt Besucherlenkung).

Insgesamt lässt sich festhalten, dass Mountainbiken auf gebauten Trails in puncto Bodenschutz mit Wandern vergleichbar ist. Eine aktuelle Übersichtsarbeit des MTF bestätigt, dass eine schlechtere Behandlung des Mountainbikens gegenüber Wandern aus Naturschutzsicht nicht zu begründen ist.

Key Takeaways – Boden & Vegetation: Gut geplante und unterhaltene Trails minimieren Erosion. Studien belegen vergleichbare Bodeneinflüsse von Mountainbikern und Wanderern auf offiziellen Wegen (Umweltauswirkungen MTB). Gefährlich für die Natur sind vor allem ungeplante Trampelpfade abseits der Trails – hier entstehen die meisten Schäden. Die Bauqualität des Trails (Verlauf, Gefälle, Drainage) ist entscheidend dafür, wie umweltverträglich er genutzt werden kann ( Trail Use, Motivations, and Environmental Attitudes of 3780 European Mountain Bikers: What Is Sustainable? – PMC ).

Auswirkungen auf Wildtiere und Lebensräume

Neben dem Boden bewegt vor allem die Tierwelt die Gemüter. Wildtiere können durch schnelle herannahende Bikes aufgeschreckt werden; Bruten könnten gestört oder Habitate fragmentiert werden. Was sagen die Daten? Grundsätzlich gilt: Jede Form von Outdoor-Aktivität kann Tiere stören, sei es Wandern, Joggen oder Radfahren. Interessanterweise reagieren viele Wildtiere auf Mountainbiker oft später als auf Wanderer – d.h. sie nehmen einen Biker erst wahr, wenn er näher gekommen ist (vermutlich weil ein leise rollendes Bike weniger Geräusche macht als Schritte). Die Folge ist eine kürzere Fluchtdistanz, weil das Tier überrascht wird. Studien in den USA fanden z.B., dass sich Wildtiere Wanderern im Schnitt schon auf ~380 m Distanz bewusst werden, bei Bikern jedoch erst bei ~190 m. Die dadurch ausgelöste Flucht kann je nach Art unterschiedlich ausfallen: Bei langsam nähernden Wanderern flüchten Tiere oft früher und länger anhaltend, während ein schnell vorbeifahrender Mountainbiker eine kürzere, eventuell heftigere Fluchtreaktion auslösen kann. In der Summe wurden in einigen Untersuchungen nicht wesentlich mehr oder weniger Störungen durch Mountainbiker als durch Fußgänger festgestellt – die Unterschiede lagen eher im Verhalten der Tiere (z.B. kürzere Reaktionszeit). Wichtig ist die Häufigkeit der Störungen: Einzelne kurze Schreckmomente verkraften viele Wildtiere, doch wiederholte Störungen ohne ausreichende Ruhephasen können Stress verursachen. Heutzutage sind beliebte Erholungsräume oft ganzjährig von Menschen frequentiert, sodass Wildtiere kaum noch Rückzugszeiten haben. Mountainbiker treten dabei vor allem in den schneefreien Monaten auf, aber in milden Wintern oder durch Fatbikes sogar ganzjährig. Hier können zeitliche Lenkungsmaßnahmen (z.B. saisonale Trailsperrungen im Winter oder in sensiblen Dämmerungszeiten) Abhilfe schaffen.

Ein weiteres Thema ist die Fragmentierung von Lebensräumen durch Trails. Selbst schmale Pfade können für kleine Bodenbewohner (Amphibien, Reptilien, Insekten) zu Barrieren werden. Wo viele Wege ein Gebiet durchziehen, wird der Lebensraum zerschnitten und Populationen isoliert – ein generelles Problem für die Artenvielfalt. Mountainbike-Trails unterscheiden sich diesbezüglich nicht von Wanderwegen: Die Anzahl der Wege ist ausschlaggebend, nicht deren Nutzer. Daher gilt es, neue Trails gezielt dort anzulegen, wo sie möglichst wenig sensible Habitate beeinträchtigen, und andererseits schützenswerte Kernzonen frei von Wegen zu halten. Positive Beispiele sind das Einrichten von Ruhezonen, wo weder Biker noch Wanderer Zutritt haben, sowie das Belassen von Totholz oder kleinen Grüninseln selbst neben Trails, damit Kleintiere Querungsmöglichkeiten behalten.

Abschließend sei betont, dass Mountainbiker meist Naturliebhaber sind und kein Interesse haben, „ihren“ Wald zu schädigen. Eine europaweite Befragung von 3780 Mountainbikern ergab, dass für die meisten die Naturverbundenheit eine Hauptmotivation ist. Der Großteil der Biker gab an, dass das Mountainbiken ihre Wertschätzung für die Natur erhöht hat und sie bereit sind, zu deren Schutz beizutragen – viele beteiligen sich aktiv an Trail-Pflege oder Naturschutzaktionen ( Trail Use, Motivations, and Environmental Attitudes of 3780 European Mountain Bikers: What Is Sustainable? – PMC ). Dieses Verantwortungsbewusstsein gilt es zu nutzen und zu fördern (Stichwort Trail Patenschaften, “Take Care of Your Trails”-Aktionen von IMBA Europa, etc.).

Key Takeaways – Tierwelt: Wildtier-Störungen durch Mountainbiker sind vergleichbar mit anderen Naturnutzern – entscheidend ist die Frequenz und das Verhalten (Umweltauswirkungen MTB). Wo Mensch und Tier konfliktfrei koexistieren sollen, braucht es räumliche und zeitliche Lenkung: sensible Zonen schützen, Ruhetage/-zeiten einhalten. Trails sollten so geplant werden, dass wichtige Habitate umgangen werden. Die allermeisten Mountainbiker respektieren die Natur und können – richtig eingebunden – Teil der Lösung sein.

Besucherlenkung als Schlüsselstrategie zur Konfliktlösung

Viele Konflikte entstehen weniger durch Mountainbiken an sich, sondern dadurch, wo und wie es stattfindet. Hier setzt das Konzept der Besucherlenkung an: Durch aktives Management der Besucherströme lassen sich Naturschutz und Freizeitinteressen in Einklang bringen. Besucherlenkung umfasst mehrere Dimensionen – Information der Nutzer, Lenkung durch Infrastruktur, Schaffung attraktiver Angebote und Überwachung/Monitoring (NAT:KIT on Cycling/Mountain Bike Visitor Management – Mountainbike Tourismusforum Deutschland). Die Grundidee: Steuerung statt Verbote. Anstatt Mountainbiker überall auszuschließen, bietet man ihnen gezielt attraktive Wege an und hält sie so von empfindlichen Bereichen fern.

Zentral ist dabei die Infrastruktur. Studien und Praxisbeispiele zeigen, dass gute offizielle Trails eine Sogwirkung auf Mountainbiker haben (NAT:KIT). Wenn legale Strecken Spaß machen und erreichbar sind, gibt es weniger Anreiz, querfeldein oder illegal zu fahren. Ein treffendes Beispiel liefert die Region Schwyz (Schweiz): Dort wurde ein legaler Trail im Ingebohlerwald initiiert, explizit um die Nutzer zu kanalisieren. Durch klare Linienführung und attraktives Streckendesign soll dieser Trail Konflikte entzerren und verhindern, dass wild neue Linien durch den Wald entstehen (Gut Trail will Weile haben: Der Trail im Ingebohlerwald wird Realität | Ride MTB). Genau das ist Besucherlenkung in Aktion. Auch in vielen Bikepark-Regionen sieht man, dass die Mehrheit der Biker die gebauten Routen nutzt und dadurch andere Wege entlastet werden.

Neben der Infrastruktur gehören Beschilderung und Information zu den Lenkungs-Werkzeugen. Offizielle MTB-Routen sollten eindeutig markiert und in Karten sowie Apps (z.B. komoot, Trailforks) leicht auffindbar sein. So wissen Biker, wohin sie sich halten können. In sensiblen Gebieten können Schilder auch um Rücksicht bitten („Bitte zwischen 18-8 Uhr nicht befahren – Wildruhezone“) oder auf alternative Routen verweisen, falls ein Trail temporär gesperrt ist. Digitale Plattformen spielen eine immer größere Rolle: Das deutsche Forschungsprojekt NAT:KIT (Kommunikations- und Interventionstools zur Lenkung von Radfahrenden in Schutzgebieten) entwickelt derzeit einen digitalen Werkzeugkasten mit über 100 Maßnahmen, von Beschilderung über Apps bis Social Media (NAT:KIT). Damit sollen lokale Behörden passgenaue Lenkungsstrategien auswählen können. Die Finanzierung durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) unterstreicht die Bedeutung dieses Ansatzes.

Entscheidend ist, dass attraktive Angebote geschaffen werden. Wo es keinerlei offizielle Trails gibt, weichen Mountainbiker zwangsläufig auf inoffizielle Pfade aus – meist mit mehr Konflikten. Tatsächlich ergab die genannte EU-Studie, dass eine Mehrheit der Biker auch schon unautorisierte (“illegale”) Trails nutzt ( Trail Use, Motivations, and Environmental Attitudes of 3780 European Mountain Bikers: What Is Sustainable? – PMC ). Das ist verständlich, denn der Drang nach attraktiven Strecken sucht sich seinen Weg. Kommunen sollten darauf reagieren, indem sie legale Trails ermöglichen statt nur zu verbieten. „Liebe Gemeinden, begegnet unserem Sport offener und schafft endlich Infrastrukturen“, appelliert ein Branchenkommentar in Ride (Liebe Gemeinden, seid endlich mehr Mountainbike! | Ride MTB). Weiter heißt es dort: „Mit nachhaltig gebauter Infrastruktur statt mit Sperrungen“ – lokale legale Trails seien wichtiger denn je, auch um den Wildwuchs einzudämmen, denn Letzterer ist schlecht für Flora und Fauna. Diese Botschaft spiegelt sich in vielen Best Practices wider. In Tirol (Österreich) z.B. öffnet das seit 1997 etablierte Tiroler Mountainbike-Modell ausgewählte Wege per Vertrag mit Grundbesitzern; dafür werden diese entschädigt und von der Haftung befreit. Das Ergebnis: Über 6000 km offizielles Routennetz, das illegales Biken reduziert – und aktuell arbeitet man daran, gezielt Singletrails als offizielles Angebot auszubauen, um den Bedarf nach schmalen Pfaden abzudecken.

Zur Besucherlenkung gehört auch das Monitoring: Wo fahren die Leute tatsächlich? Welche Routen sind überlastet? Moderne Methoden wie GPS-Track-Analysen (Strava-Heatmaps etc.) und automatische Zähler an Trails können hier helfen. Erkennt man z.B., dass ein nicht freigegebener Pfad stark befahren wird, sollte man überlegen, warum – vielleicht fehlt einfach eine legale Alternative in der Gegend. Lenkung bedeutet, solche Hinweise ernst zu nehmen und proaktiv Lösungen zu bieten.

Key Takeaways – Lenkung: Lenkung statt Einschränkung lautet das Motto erfolgreicher Regionen. Attraktive offizielle Trails ziehen Mountainbiker an und schützen umliegende Naturbereiche (NAT:KIT) (Liebe Gemeinden, seid endlich mehr Mountainbike! | Ride MTB). Ein gutes Besucherlenkungs-Konzept kombiniert Infrastruktur, klare Beschilderung, Information (analog & digital) und Monitoring. Im Ergebnis bleiben Biker auf den vorgesehenen Wegen, Konflikte mit anderen Nutzern und der Tierwelt sinken drastisch. Regionen, die hier investieren (wie z.B. Teile der Schweiz, Tirol oder Modellprojekte in D), erzielen ein Miteinander von Mountainbikern und Natur statt Gegeneinander.

Nachhaltiger Trailbau: Techniken und Praxisbeispiele

Die Basis für umweltverträgliches Mountainbiken ist ein nachhaltig gebauter Trail. Nachhaltiger Trailbau bedeutet, Strecken so zu planen und anzulegen, dass sie dauerhaft und mit minimaler Umweltbeeinträchtigung genutzt werden können. Die IMBA und andere Organisationen haben hierfür Leitlinien entwickelt (z.B. IMBA’s Trail SolutionsHandbuch). Wesentliche Prinzipien sind:

  • Angepasste Linienführung: Trails folgen dem Konturverlauf des Geländes statt direkt den Hang hinab. Dadurch wird die Geschwindigkeit kontrolliert und Wasser kann nicht als Sturzbach den Weg hinunterfließen. Die Fall-Liniezu vermeiden ist einer der wichtigsten Aspekte, um Erosion vorzubeugen ( Trail Use, Motivations, and Environmental Attitudes of 3780 European Mountain Bikers: What Is Sustainable? – PMC ). Ebenso sollte der Trail um empfindliche Zonen herumgeführt werden – etwa Moorstellen oder Biotope umfahren statt hindurch.
  • Steigung begrenzen & variieren: Eine durchschnittliche Längsneigung von unter 10% (mit kurzen Ausnahmen) gilt als gut beherrschbar für Fahrer und bodenschonend. Zu steile Abschnitte fördern Bremswellen und Abschürfungen durch blockierende Reifen oder rutschende Schuhe von Schiebepassagen. Wechselnde Gefälle (Berge und Mulden, sog. Grade Reversals) helfen, Wasser abzuleiten und bringen zudem Fahrspaß.
  • Wassermanagement: “Water is the trail’s worst enemy” heißt es. Daher werden Trails mit Querabschläge, Drainagen und Out-Slope (seitliches Gefälle von 5% des Tread) gebaut, sodass Regenwasser vom Weg abfließt und nicht in der Spur bleibt. Pfützen werden vermieden, denn Umfahrung von Pfützen führt zu Wegeverbreiterung. In sehr nassen Passagen können Bike-Brücken oder Stege eingesetzt werden, um den Bodenkontakt zu minimieren – z.B. Holzbohlen über Bäche oder sumpfige Stellen (Wegebau-Maßnahmen – NAT:KIT).
  • Geeignete Breite und Belag: Ein nachhaltiger Trail ist so schmal wie möglich, aber breit genug, dass die Nutzer nicht ständig aus Versehen abseits treten/fahren. Typischerweise 30–60 cm Trittbreite bei Singletrails. Der Untergrund (Tread) wird oft verdichtet oder mit lokalem Mineralboden aufgefüllt, um eine haltbare Fahrspur zu schaffen, die Wurzeln und weichen Humus schützt. In Kurven oder Sprunglandungen kann Steinmaterial eingebaut werden (Armoring), um Verschleißstellen zu härten. Ziel ist, dass der Trail der Beanspruchung standhält und nicht ständig neue Umfahrungen gesucht werden.
  • Rücksicht auf Flora & Fauna: Schon in der Planungsphase wird die Umweltprüfung durchgeführt. Idealerweise arbeitet der Trailplaner mit Naturschutzexperten zusammen, um z.B. Brutplätze, alte Baumbestände oder Orchideenwiesen zu erkennen und auszusparen. Bauzeiten sollten außerhalb sensibler Brutzeiten liegen. Temporäre Baustellen werden nach Fertigstellung renaturiert. Ein nachhaltig gebauter Trail berücksichtigt auch die Sicherheit und Akzeptanz: Sichtlinien in Kurven, Ausweichstellen und moderate Schwierigkeit für die Zielgruppe – damit Wanderer, Förster und Biker den Weg gleichermaßen stressfrei nutzen können, wo Shared Use vorgesehen ist.

Praxisbeispiele belegen die Wirksamkeit dieser Techniken. IMBA USA berichtet von zahlreichen Trails, die nach solchen Prinzipien gebaut wurden und seit Jahrzehnten nahezu wartungsfrei bestehen und von Wanderern wie Bikern gleichermaßen geschätzt werden. IMBA Europe und nationale Ableger wie IMBA Italia propagieren ebenfalls das Leitbild “Sustainable trails”: Die besten Mountainbike-Trails respektieren und schützen die Natur, berücksichtigen andere Nutzer und sind wirtschaftlich tragfähig (IMBA Italia (International Mountain Bicycling Association) | Torino Social Impact). Ein Beispiel aus Italien ist die Dolomiti Paganella Bike Area im Trentino, wo über Gemeindegrenzen hinweg ein großes Trail-Netz entwickelt wurde. Hier wurden Flowtrails, Enduro-Strecken, Skill-Areas und Bikepark-Zonen kombiniert – immer in Abstimmung mit Forstbehörden und lokalen Grundbesitzern. Das Ergebnis ist ein international anerkanntes Modell für Bike-Tourismus, das gleichzeitig die Belastung auf ausgewiesene Korridore konzentriert und umliegende Schutzgebiete entlastet.

In der Schweiz hat sich in den letzten Jahren ebenfalls viel getan. Die trail.foundation (hervorgegangen aus dem Swiss Mountainbike Project) fasst zusammen: Ein gut geplantes, gepflegtes und offizielles Wegnetz ist umweltverträglich (Wissen | trail.foundation). Konkret zeigt z.B. der Kanton Wallis, wie nachhaltiger Trailbau umgesetzt wird. Im hochalpinen Hochtal Goms wurde 2024 ein 12 km langer Trail vom Furkapass ins Tal gebaut – in enger Abstimmung mit Landwirten und Umweltorganisationen von Anfang an (Am Furkapass öffnet im Sommer 2025 ein neuer Bike-Trail | Ride MTB). Die Herausforderungen in steilem, empfindlichem Gelände wurden durch professionelle Planung (Büro Bikeplan) und Ausführung (Vast Trails Bauunternehmen) gemeistert. Dank durchdachter Wegführung, klarer Beschilderung und nachhaltiger Bauweise wird dieser Trail nicht nur für Fahrspaß sorgen, sondern auch in Koexistenz mit Wanderern und anderen Landnutzern funktionieren. Genau solche Projekte liefern den Beweis, dass Naturschutz und Mountainbike-Infrastruktur vereinbar sind. Auch kleinere Vorhaben, wie der oben erwähnte Trail im Ingebohlerwald (SZ), zeigen Erfolge: Dort achtete man darauf, den Pfad schmal und naturnah zu halten, aber mit technischen Elementen (rollbare Sprünge, Anlieger) auszustatten, damit er attraktiv bleibt (Gut Trail will Weile haben: Der Trail im Ingebohlerwald wird Realität | Ride MTB). Beim Bau unterstützt eine Profi-Firma (Trailworks) den Verein, um sicherzustellen, dass die Strecke möglichst nachhaltig gebaut wird.

Mountainbiken als Teil der Basis-Infrastruktur? Andere Sportarten haben selbstverständliche Angebote (Spielplätze, Sportplätze, Schwimmbäder). Immer mehr Experten fordern, Mountainbike-Strecken ebenso als öffentliche Infrastruktur anzuerkennen (Trail-Bau ist eine öffentliche Aufgabe! | Ride MTB) (Trail-Bau ist eine öffentliche Aufgabe! | Ride MTB).

Weitere Beispiele erfolgreicher Koexistenz-Modelle finden sich in vielen Tourismusregionen: Etwa Graubünden (CH) mit seinem dichten Netz an signalisierten Bike-Routen bei gleichzeitiger Ausweisung von Wildruhezonen, oder Südtirol (IT), wo in den Bikehochburgen wie Latsch oder Brixen Trail-Bau-Auflagen rigoros umgesetzt und kompensatorische Aufforstungen vorgenommen werden. Diese Regionen profitieren wirtschaftlich vom Bike-Tourismus und investieren einen Teil davon wieder in den Erhalt der Natur, etwa durch Rangerprogramme oder Finanzierung von Pflegemaßnahmen. Wichtig ist überall das Monitoring: Trails werden beobachtet, nachgebessert und im Bedarfsfall umgeleitet oder zeitweise geschlossen, sollte sich ein unvorhergesehener negativer Effekt zeigen. Nachhaltigkeit ist ein kontinuierlicher Prozess.

Key Takeaways – Trailbau: Nachhaltig gebaute Trails sind das Fundament für die Balance zwischen Sport und Naturschutz. Mit guter Planung (kontrollierte Linienführung, Drainage, Begrenzung steiler Abschnitte) und unter Einbeziehung ökologischer Expertise lassen sich Strecken schaffen, die minimalen Impact aufweisen und maximalen Fahrspaß bieten (Trail Science – IMBA Canada) ( Trail Use, Motivations, and Environmental Attitudes of 3780 European Mountain Bikers: What Is Sustainable? – PMC ). Praxisbeispiele aus der Schweiz und Italien beweisen: Wo alle Beteiligten – Planer, Naturschützer, Gemeinden, lokale Biker – an einem Strang ziehen, entstehen Vorzeigeprojekte, in denen Trails und Natur friedlich koexistieren (Am Furkapass öffnet im Sommer 2025 ein neuer Bike-Trail | Ride MTB).

Fazit und Handlungsempfehlungen

Die Gegenüberstellung von Mountainbike-Infrastruktur und Naturschutz muss kein entweder-oder sein – mit Wissen, Weitsicht und Wille lässt sich ein sowohl-als-auch erreichen. Die wissenschaftlichen Befunde entkräften manche Befürchtungen (MTB ist nicht per se umweltschädlicher als Wandern) und zeigen, wo die echten Herausforderungen liegen (z.B. ungeplante Trails, fehlende Lenkung). Gleichzeitig liefern Best Practices aus dem In- und Ausland Blaupausen, wie Konflikte entschärft werden können. Für den D-A-CH-Raum lassen sich daraus klare Empfehlungen ableiten:

  • Gemeinden & Tourismusplaner: Behandeln Sie Mountainbiken als zeitgemäße Freizeit- und Tourismusaktivität, die entsprechende Infrastruktur verdient. Offizielle MTB-Routen und Trailparks sollten Teil der kommunalen Planung sein – analog zu Wanderwegen, Spielplätzen oder Sportplätzen (Trail-Bau ist eine öffentliche Aufgabe! | Ride MTB). Statt Verbote auszusprechen, investieren Sie in legale Angebote. Diese kurbeln nicht nur den Tourismus an, sondern lenken die Nutzung in geordnete Bahnen. Sorgen Sie für Budget und Zuständigkeiten: Wie eine Straße muss auch ein Trail unterhalten werden. Dauerhafte Finanzierung (etwa über Tourismusabgaben oder Sportetats) ist nachhaltiger als einmalige EU-Projekte oder reines Ehrenamt. Ein Umdenken ist gefragt: Mountainbiker sind Steuerzahler und ein Teil der Gesellschaft, ihre Bedürfnisse gehören berücksichtigt.
  • Naturschutzbehörden & Planungsstellen: Kooperieren Sie mit der MTB-Community, statt sie als Gegner zu sehen. Binden Sie lokale Bike-Vereine, Trailbauer und IMBA-Experten früh in den Planungsprozess ein. So können wertvolle lokale Kenntnisse (Wo wird bereits gefahren? Wo liegen Konfliktherde?) einfließen. Nutzen Sie Besucherlenkung gezielt: Entwickeln Sie Lenkungskonzepte (wie NAT:KIT Toolkit (NAT:KIT on Cycling/Mountain Bike Visitor Management – Mountainbike Tourismusforum Deutschland)) mit Maßnahmen-Mix aus Infrastruktur, Lenkung und Reglementierung. Definieren Sie dabei auch No-Go-Areas (Kernzonen mit strengem Schutz) und Zonen mit gelenkter Nutzung. Überlegen Sie zeitliche Steuerungen – z.B. saisonale Sperren während der Brutzeit oder Nachtfahrverbote in wildreichen Gebieten – und kommunizieren Sie diese klar. Die Erfahrung zeigt, auf Verständnis stoßen Regeln vor allem dann, wenn gleichzeitig attraktive legale Alternativen bestehen.
  • Grundeigentümer & Forst: Suchen Sie das Gespräch mit Kommunen und Bikern, um Lösungen via Vereinbarungen zu finden. Das österreichische Beispiel Tirol zeigt, dass über Verträge Wege legal geöffnet werden können, wenn Haftungsfragen und Entschädigungen geklärt sind – alle Seiten profitieren, weil Wildwuchs eingedämmt und Rechtssicherheit geschaffen wird. Befürchtungen bezüglich Haftung lassen sich oft durch Versicherungslösungen oder Übertragung der Verkehrssicherungspflicht an Tourismusorganisationen entschärfen. Statt verbotener Eigenbau-Trails auf Ihrem Grund entstehen so geplante, sichere Wege in Abstimmung mit Ihren Interessen (z.B. Lenkung der Biker weg von Jungwald oder Schonungen). Zudem können klar definierte Routen patrouilliert und gewartet werden (häufig helfen lokale Vereine hierbei), was unkontrollierte Schäden minimiert.
  • Trailbauer & Vereine: Orientiert euch an Best Practices und bildet euch fort (Workshops von IMBA Europe, Trail Building Schools etc.). Kommuniziert offen mit Naturschützern – oftmals lassen sich durch kleine Anpassungen große Konflikte vermeiden. Setzt auf Qualität statt Quantität: Ein hervorragend gebauter Trail an passender Stelle ist mehr wert als fünf wilde Lines quer durch den Wald. Dokumentiert eure Erfolge mit Monitoring-Daten und teilt sie mit Behörden, um Vertrauen aufzubauen. Nutzt Kampagnen wie “Take Care of Your Trails” oder lokale Pflegeaktionen, um zu zeigen, dass Mountainbiker bereit sind, Verantwortung für „ihre“ Trails und die umgebende Natur zu übernehmen.

Abschließend lässt sich sagen, dass Mountainbike-Infrastruktur und Naturschutz vereinbar sind, wenn alle Akteure kooperieren und wissenschaftliche Erkenntnisse beherzigt werden. Moderne Besucherlenkung und nachhaltiger Trailbau machen es möglich, dass Mensch und Natur gleichermaßen gewinnen: Mountainbiker erhalten legale, spaßige Strecken – und die Natur profitiert von gebündelten und rücksichtsvollen Nutzungsströmen. Wichtig ist ein kontinuierlicher Dialog: Die Bedürfnisse von Umwelt und Sport ändern sich, und flexible Managementansätze sind gefragt. Regionen, die diese Balance finden, zeigen bereits heute, wie es geht. Es liegt nun an uns, dieses Wissen im gesamten D-A-CH-Raum anzuwenden. Dann heißt es künftig nicht mehr Bike vs. Natur, sondern Bike mit Natur – zur Freude der Menschen und zum Erhalt unserer Lebensräume.

Quellen: IMBA USA/Europe und nationale IMBA-Organisationen, Mountainbike Tourismusforum D (MTF) / NAT:KIT (Umweltauswirkungen MTB) (NAT:KIT on Cycling/Mountain Bike Visitor Management – Mountainbike Tourismusforum Deutschland), Fachartikel auf ride-mtb.com (Liebe Gemeinden, seid endlich mehr Mountainbike! | Ride MTB) (Am Furkapass öffnet im Sommer 2025 ein neuer Bike-Trail | Ride MTB), Trail.Foundation-Wissensplattform (Wissen | trail.foundation), Best-Practice-Berichte aus Schweiz und Italien (Gut Trail will Weile haben: Der Trail im Ingebohlerwald wird Realität | Ride MTB) (IMBA Italia (International Mountain Bicycling Association) | Torino Social Impact), Mountainbike Kongress & ambi (Austrian MTB Institute) Impulse, sowie diverse wissenschaftliche Studien (Marion & Wimpey 2007, Wilson & Seney 1994, Thurston & Reader 2001, Campbell et al. 2021 u.a.), zusammengefasst vom Autor.

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